Kirchenjahr

Ralf Frisch


„Sag, wie hast du’s mit Ostern?“

Sieben Spielarten von Auferstehungstheologie zur kritischen pastoralen Selbstprüfung im Blick auf Oster- und Bestattungspredigten



Angesichts des offenen und des leeren Grabes zeigt sich, wie Predigerinnen und Prediger es mit der Osterbotschaft halten und ob ihre Theologie mehr ist als eine letztlich trostlose Mutter-Erde-Theologie.

 

So schön es ist, dass jeden Frühling neues Leben aus dem Schoß von Mutter Erde hervorbricht, so schrecklich ist es, dass jedes Leben unweigerlich zu Erde und zu Staub wird, nachdem es eine Weile geblüht hat. Wenn Christen nichts anderes zu sagen haben als das, was auch jede heidnische Naturweisheit des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen zu sagen weiß, dann kommt, was Friedrich Nietzsches toller Mensch kommen sah: „Nacht und mehr Nacht“. Wenn die Verlockung der Verwandlung der christlichen Feste in Naturfeste übermächtig wird, weil anders der Anschluss an den Geist einer nachchristlichen abendländischen Zivilisation nicht zu erreichen ist, dann riecht es am Ostersonntagmorgen und an jedem offenen Grab unter den Talaren hervor nach „göttlicher Verwesung“, zumindest nach Verwesung einer wirklich christlichen Theologie. Wenn auch Christen nicht den auferstandenen Christus, sondern den erbarmungslose Lauf der Dinge für „the real real“, also für die letzte Wirklichkeit halten, dann ist etwas faul.

 

Aber natürlich gibt es auch andere Formen, Auferstehung zu glauben, zu denken und zu verkündigen. Für den Fall, liebe Schwestern und Brüder, dass Sie Ihre nächste Bestattungspredigt noch nicht konzipiert und auch noch nicht über Ihre diesjährige Osterpredigt nachgedacht haben, helfen Ihnen vielleicht die folgenden sieben Spielarten von Auferstehungstheologie weiter. Sie sind so etwas wie sieben Spiegel der Selbstprüfung, wie Sie es mit Ostern halten.

 

Ich verhehle nicht, dass ich selbst ein unbelehrbares Faible für Spielart 7 habe – ganz einfach deshalb, weil nur sie fäulnisfrei ist und weil nur sie es mit dem Grauen auch der grünsten Friedhöfe aufnehmen kann. Die schönste – und zwar gewissermaßen bildlose – Bebilderung der Spielart 7 ist mir vor vielen Jahren im Religionsunterricht begegnet, als ich meine Fünfklässlerinnen und Fünftklässler darum bat, ein Bild zu malen, wie sie sich Auferstehung vorstellen. Ein Mädchen malte nichts als ein leeres ummauertes Karree. Ich fragte meine Schülerin: „Was ist das?“ Sie sagte: „Das ist ein Friedhof ohne Gräber.“ Ich habe das Bild nie vergessen. Wenn ich ein Buch schreiben würde, das den Titel „Elementare Eschatologie“ (oder so ähnlich) trägt, würde mir kein passenderes Titelbild dafür einfallen.

 

Fröhliche Ostern!

 

P.S.: Hier kommen die sieben Spielarten. The choice is yours!

 

 

 

Spielart 1: Die Sache Jesu geht weiter

Auferstehung heißt, dass die Sache Jesu weitergeht. Menschen, die im Sinne Jesu unterwegs sind, verkörpern ihn und seine Mission. Sie sind der Leib Christi. Sie sorgen dafür, dass Christus in der Welt nicht in Vergessenheit gerät, sondern in Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche weiterlebt.

 

Spielart 2: Nicht unterkriegen lassen!

Auferstehung heißt, dass man sich nicht unterkriegen lassen darf, sondern immer wieder aufstehen und Anderen aufhelfen muss. Auferstehung findet als psychische und politische Befreiung diesseits des Todes statt – mitten in den Depressionen, Niederungen, Niedertrachten und Unterdrückungen des Lebens.

 

Spielart 3: OBI-Ostern

Auferstehung heißt, dass auf jeden Tod neues Leben folgt. Die Zyklen und Rhythmen der Natur zeigen, dass das Leben stärker ist als der Tod und immer wieder den Sieg davonträgt. Das Leben geht weiter. Und weil es weitergehen muss, damit nicht alles nichts ist, folgt daraus die Verpflichtung für Christinnen und Christen, sich für die Bewahrung der Biosphäre einzusetzen. Im Osterfest offenbart sich letztlich eine tiefe naturspirituelle Wahrheit, die jeder Baumarkt im Frühling OBI-österlich ausschlachtet.

 

Spielart 4: Ins Kerygma auferstanden

Auferstehung heißt, dass Christus in der Verkündigung lebendig ist. Die Gegenwirklichkeit des Auferstehungssprachereignisses stiftet Hoffnung. Sie eröffnet existenzerhellende Ausgänge aus dem illusionslosen Einverständnis mit dem Schmerz, der Vergänglichkeit und der Tödlichkeit der Welt. Selbst, wenn Jesus im Grab verwest wäre, wäre die Fiktion seiner Auferstehung zu schön, um nicht wahr zu sein und nicht erzählt und rituell inszeniert zu werden.


Spielart 5: Jesus ist unendlich bedeutsam

Auferstehung heißt, dass Jesus von Nazareth kein Verlierer, sondern unendlich be­deutsam ist. Auferstehung ist kein Geschehen nach dem Tod Jesu. Es ist Prädikat, Ritterschlag und Adelstitel des Gekreuzigten. Wer sagt, dass Jesus auferstanden ist, sagt, dass Jesus ganz im Sinn Gottes ist oder ganz im Sinn Gottes wäre, wenn es Gott gäbe. Jesus zeigt uns, was Menschen meinen, wenn sie „Gott“ und wenn sie „Mensch“ sagen.

 

Spielart 6: Unsterblichkeit der Seele

Auferstehung heißt, dass unsere Seele unseren leiblichen Tod überdauert. In den Auferstehungserzählungen kommt die Unsterblichkeit der Seele mythologisch zum Vorschein. Die Auferstehung Jesu ist keine Auferstehung des Leibes. Eigentlich ist sie gar keine Auferstehung. Sie offenbart, dass Geist und Bewusstsein unzerstörbar sind und dass darin das göttliche Geheimnis der menschlichen Natur besteht.

 

Spielart 7:

Auferstehung heißt, dass in Christus erschienen ist, was wir sein werden. Die Tatsache, dass Jesus von Nazareth nicht tot blieb, ist der einzige Grund zur Hoffnung, dass nichts und niemand verloren ist. Wenn Christen sagen: „Jesus lebt!“, dann bringen sie zur Sprache, dass das atheistische Wirklichkeitsverständnis der aufgeklärten Natur- und Humanwissenschaften nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern der lebendige, rettende Gott die letzte, allesbestimmende Wirklichkeit, the „real real“ ist. Ja, das ist unglaublich. Aber Christen glauben nun einmal Unglaubliches, wenn sie wirklich von Ostern herkommen. Und ja, es wäre ein Wunder. Aber wenn dieses Wunder der österlichen Transformation der Welt nicht geschieht, dann ist alles nichts. „Dann lasst uns essen und trinken. Denn morgen sind wir tot.“ Wenn aber die Toten auferstehen, weil Christus auferstanden ist, dann lasst uns guter, ja bester Dinge sein! Dann ist nämlich nichts von dem, was wir für wirklich halten, die wirkliche Wirklichkeit. Denn dann werden alle Toten leben. Dann sind dem Tod die Zähne gezogen. Und dann können wir ihn getrost österlich auslachen, uns um so mehr die Ostereier und Schokoladenhasen schmecken lassen, die Osterglocken genießen, das blühende Leben des Frühlings und der Schöpfung als Abglanz des Sieges Jesu über den Tod feiern und uns darüber freuen, dass wir am Leben sind. Und zwar am ewigen Leben.